Was nützt die Ferne in Gedanken? Edgar Reitz’ Filmepos „Die andere Heimat. Chronik einer Sehnsucht“

Friday, March 18, 2016 12:30 pm - 12:30 pm EDT (GMT -04:00)

19th-century farmer sitting in front of some fields.
Edgar Reitz’ Rückkehr ins Kino löste 2013 bei den Filmfestspielen von Venedig Begeisterung aus. Die internationale Filmkritik war sich einig: Mit der „Anderen Heimat“ habe der Regisseur einen fulminanten Schlusspunkt für seine gefeierte „Heimat“-Reihe geliefert. Wieder steht das kleine Hunsrück-Dorf Schabbach im Zentrum, wieder kreist die Geschichte um die Familie Simon, diesmal allerdings in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Reitz’ vierstündiges Epos erzählt die Geschichte des genialen Bauernsohnes Jakob Simon, der die Sprachen der Ureinwohner Südamerikas studiert, statt auf dem Feld zu helfen, und davon träumt, nach Brasilien auszuwandern. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Schabbachern wird sich Jakobs Traum von der Ferne nicht erfüllen; alle Gelegenheiten, die Heimat zu verlassen, bleiben ungenutzt. Die letzten Einstellungen der „Chronik einer Sehnsucht“ zeigen Jakob als werdenden Familienvater in Schabbach – der Hunsrück ist sein Schicksal. Die Filmkritik hat den Protagonisten deshalb als einen scheiternden Helden, ja als tragische Figur beschrieben.

„Die Hoffnung stirbt“, so fasst es Thomas E. Schmidt in der „Zeit“, „und die Sehnsucht überlebt sie noch lange“. Das kann man so sehen. Der Vortrag schlägt allerdings eine andere Perspektive vor, in der der Zusammenhang von Heimat und Fernweh nicht als problematischer verstanden wird, sondern als ein lebenspraktisch und künstlerisch produktiver Konnex: Reitz’ Film präsentiert Fernweh als eine subtile Kulturtechnik des Zuhausebleibens.

This lecture will be held in German. The film under discussion, Die andere Heimat, will be screened on Wednesday, 16 March 2016 at 6:30pm in ECH 1220. Pizza will be provided (because it's a long film - 263 minutes!).